Jesus war kein Christ !





In dem Buch ?Grundwissen Religion? ? ein Begleitbuch für den Religionsunterricht und für das Studium heißt es:

?Es klingt paradox:
Jesus von Nazaret, den die Religionswissenschaften den ?Stifter? des Christentums nennen, war selbst kein Christ, sondern Jude. Er ist aufgewachsen in einer jüdischen Großfamilie; er sprach die Sprache seines Volkes, Aramäisch mit einem galiläischen Akzent.
In seiner Familie und im dörflichen Umfeld wuchs Jesus in das jüdische Leben hinein. Dazu gehörten: der religiös geprägte Alltag in der Familie, Gebete und Schriftauslegung in der Synagoge, Torastudium und Wallfahren zum Tempel nach Jerusalem.?
Also: Jesus war aramäischsprachiger Jude und keinesfalls ?der erste Christ? im umgangssprachlichen Sinne. Aus der Apostelgeschichte wissen wir, dass die Anhänger Jesu in Antiochien zum ersten Mal ?Christen? genannt wurden (Apg 11,26). Antiochien heißt heute Antakya und liegt in der Türkei.
Der evangelische Theologe D. Bonhoeffer fasst es kurz zusammen: ?Jesus ist nicht gekommen eine neue Religion zu bringen, sondern das Leben.?
Aus gegebenem Anlass möchte ich betonen: Jesus ist nicht gekommen eine rigoristische Religion zu bringen, sonder das leben
Zu fragen haben wir Christen aber auch uns selbst. Wie ist unser Verhältnis zum Judentum? Wie stehen wir zu unseren Wurzeln? Wie stehen wir in unseren Wurzeln.



Gebet


Gott, du offenbarst dich in all den Beziehungen,
die wir im Leben erfahren;
in den Verpflichtungen, die wir erfüllen,
und in den Zeichen deiner Güte,
die wir täglich erleben.

Du bist Mutter und Vater für uns;
Du bist der Ursprung, von dem wir kommen
Und zu dem hin wir zurückkehren.
Du bist unser Ziel
Und unser Trost auf dem Lebensweg.
Amen.

Aus Jonathan Magonet, Walter Homolka (Hg.),
Das jüdische Gebetbuch, Gütersloh,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München.





Eine Parabel


Zwei Söhne hatte der Vater. Er hatte ihnen gesagt, er müsse für eine Weile fortziehen. Manchen Rat gab er ihnen, wie sie Haus und Gut verwalten sollten. Kaum hatte er den Rücken gekehrt, da begann in kleinliches Gezänk, der Vater habe dies so gemeint und jenes so. Einmal stand der jüngere gegen den älteren Bruder auf, einmal schlug einer auf den anderen ein. Es ging so weit, dass sie einander spinnefeind wurden. Sie redeten kaum miteinander und wenn, dann waren es Worte voll Hass und Verachtung ? ?Ihr seid doch aus einer Familie!?, sagten die Nachbarn zu ihnen. ?Besinnt euch doch auf euer Vaterhaus.? ?Was, Vaterhaus!? rief der eine entrüstet. ?Ich tue den Willen des Vaters.? ?Ich bin es, der seinen Willen genau verstanden hat?, beeilte sich der Zweite zu versichern. Sie zogen sich in ihre Kammer zurück und jeder glaubte hochnäsig von sich, dass er die ganze Wahrheit allein gepachtet habe.
Da kam eines Tages ein Weiser in den Ort. Ihm trugen die Leute das Ärgernis vor. Die Brüder wurden ihm vorgeführt. Sie trugen ihren Spruch vor ?
?Vieles spricht dafür, dass du im Recht bist?, sagte der Weise zu dem Älteren. ?Aber auch du nimmst Worte in den Mund, die sehr wohl dein Vater gesagt haben könnte?, wandte er sich an den Jüngeren. ?Du sprichst seine Sprache?
Die Brüder riefen: ?Wir sind so klug wie zuvor. Auf wessen Seite, meinst du, steht unser Vater??
?Die Antwort zu geben ist schwer. Ich will euch einen Rat geben. Ihr wisst ja sicher, dass euer Vater eines Tages wiederkommen wird. Nehmt euch seinen größten Wunsch zu Herzen, habt euch lieb. Sprecht nicht immer hasserfüllt über das, worüber ihr euch nicht einigen könnt. Vieles ist euch doch gemeinsam. Erinnert euch an euren Vater und wartet seine Wiederkunft ab. Er wird euch gewiss liebevoll begrüßen, wenn er in ein Haus des Friedens eintritt. Aber wie traurig muss er sein, wenn er von der Ungeduld der Söhne untereinander, von Hader und Zwietracht hört.?
Die Söhne wurden sehr nachdenklich. Sie brauchten einige Zeit, bis der Rat des Weisen die harte Kruste ihrer Herzen durchdrungen hatte ?

Willi Fährmann




Fürbitten


Jesus verbindet Christen und Juden. Er steht aber auch als Hindernis zwischen ihnen.
Herr, hilf uns, mit diesem widersprüchlichen Tatbestand auf eine hilfreiche Weise umzugehen.
Gott unser Vater, wir bitten dich erhöre uns.

Die jüdische Religion ist für uns nicht etwas Äußerliches, sondern gehört in gewisser Weise zum Inneren unserer Religion.
Zu ihr haben wir Beziehungen wie zu keiner anderen Religion.
Herr, lass uns in dieser heutigen Zeit voller Unruhen zwischen den Religionen, dessen immer wieder neu bewusst werden.
Gott unser Vater, wir bitten dich erhöre uns.

Juden und Christen ? erkennen- jeweils auf ihrem eigenen Weg, den unerlösten Zustand der Welt.
Herr, lass uns mit vereinten Anstrengungen dazu beitragen, Gottes Herrschaft näher zu bringen, auf die wir hoffen und nach der wir uns sehnen.
Gott unser Vater, wir bitten dich erhöre uns.

Der Wert und die Wucht des Gedenkens bleiben immer gleich, unabhängig von den Wogen der tagesaktuellen Debatten.
In einer Zeit in der es immer weniger Zeitzeugen gibt. Für alle die versuchen, das Erinnern moderner zu gestalten und mehr vor allem die Köpfe
und Herzen der jungen Menschen zu erreichen.
Gott unser Vater, wir bitten dich erhöre uns.






Ein Jude unserer Zeit über Jesus


Jesus ist für mich der ewige Bruder, nicht nur der Menschenbruder, sondern mein jüdische Bruder. Ich spüre seine brüderliche Hand, die mich fasst, damit ich ihm nachfolge. Es ist nicht die Hand des Messias, diese mit Wundmalen gezeichnete Hand, sondern eine menschliche Hand, in deren Linien das tiefste Leid eingegraben ist. Es ist die Hand eines großen Glaubenszeugen Israels. Sein Glaube, sein Vertrauen auf Gott, den Vater, die Bereitschaft sich ganz unter den Willen Gottes zu demütigen, das ist die Haltung, die uns in Jesus vorgelebt wird und die uns ? Juden und Christen ? verbinden kann: Der Glaube Jeus einigt uns, der Glaub an Jesus trennt uns.

Schalom Ben-Chorin, jüdischer Theologe




Ein Christ unserer Zeit über Juden


Wer sind die Juden, denen so viel Unrecht im Verlauf der Geschichte angetan worden ist? War nicht auch Jesus ein Jude und waren nicht auch seine Mutter und seine Apostel Juden? So schauen wir Christen mit neuen Augen auf die Juden und erinnern uns, dass Paulus Israel als ?Die Wurzel? bezeichnet hat, die die Kirche trägt. Der Christ kann jetzt nicht mehr Jesus von Nazareth für sich reservieren, er muss ihn mit den Juden teilen. Jesus wird zur Brücke, auf der sich Juden und Christen begegnen können, endlich nicht mehr als Feinde, sondern als Geschwister und Versöhnte, die sich die Hand reichen.

Franz Mußner, katholischer Theologe